Mutig klein bleiben im Gegenspiel zahlt sich aus. Hand 9 im DBV-Abendturnier vom 26.8.21.
Mit dieser Hand müssen sie zunächst auf West gegen 3SA von Süd einen Angriff finden:
Die Reizung
Was greifen Sie nach folgender Reizung an?
Dabei wird 1♣ als vorbereitend (mind. 1) alertiert und 2♠ fragt nach Pik-Stopper. Überlegen sie bitte zunächst, was sie in diesem Fall angreifen würden, bevor sie weiterlesen.
Würden sie eine andere Karte angreifen, wenn die Reizung so abläuft, dass der Gegner nicht zwischenreizt, wie z.B. in folgender Reizung?
Diese Reizung zeigt eine starke Hand mit langen Treffs.
Auch hier legen sie sich fest, bevor sie weiterlesen.
Der Angriff
Der Kontrakt 3SA wurde an genau der Hälfte der Tische erreicht (22 von 44). Es kamen nur zwei grundsätzlich verschiedene Angriffe vor:
- 16-mal Pik (meist die ♠10, nur einmal die ♠2, wahrscheinlich die Vereinbarung, um das Double zu zeigen)
- 5-mal klein Karo (je nach Vereinbarung 4. Höchste oder 3./5.) – meist ♦6 oder ♦7
- 1-mal ♦A
- Niemand hat Treff oder Coeur angegriffen.
Dies ist aber keine Aufgabe, bei der es nur darum geht, den „richtigen“ Angriff zu finden und dann findet sich der Rest von allein. Man muss es auch konsequent zu Ende spielen.
Immerhin hätten 21 der 22 Angriffe den Kontrakt bei bestem Gegenspiel geschlagen. Mit Karo-Angriff hätte der Kontrakt 2x geschlagen werden können. Mit Pik-Angriff immerhin noch 1x. Nur nach dem ♦A-Angriff kann der Alleinspieler bei bestem Alleinspiel genau erfüllen. Auch Coeur-Angriff würde den Kontrakt einmal schlagen bei bestem Gegenspiel. Ein nach der Reizung extrem unwahrscheinlicher Treff-Angriff lässt dem Alleinspieler die Chance auf zwei Überstiche.
Das Ergebnis
Sieht man sich aber die Ergebnisse an, dann haben die 3SA-Alleinspieler:
- 3-mal 3 Stiche mehr gemacht, als bei bestem Gegenspiel erzielbar sind
- 10-mal 2 Stiche mehr
- 2-mal 1 Stich mehr
- 4-mal genau die Stiche, die sie machen sollten
- und nur 3 haben einen Stich weniger gemacht als sie sollten
Im Durchschnitt also 1,3 Stiche mehr, als bei bestem Gegenspiel erreichbar sind. Ein Indiz dafür, dass das richtige Gegenspiel in dieser Hand nicht einfach ist.
Das Gegenspiel
Um ein Gefühl für die Problematik dieses Gegenspiels zu zeigen, hier der Ablauf an unserem Tisch (Fall 1) mit gegnerischer Pik-Zwischenreizung). Nach dem idealen Angriff von ♦6 kommt folgender Dummy herunter:
Die ♦6 geht zu Partners ♦D und dem ♦K des Alleinspielers. Die nachfolgende ♣10 wird korrekt mit dem ♣B gedeckt und zur ♣D des Tisches. Ost wirft ♠3 ab. Auf die nachfolgenden ♣AK von Nord wirft Ost ♠5 und ♥3 ab. Der Alleinspieler wirft auf den ♣K die ♠9 ab. Auf das nächste Treff, dass mit der ♣9 von West gewonnen wird, wirft Ost ♠6 ab und der Alleinspieler ♥2. Danach spielt West korrekt Pik zum ♠A seines Partners, der danach korrekt die ♦8 zurückspielt, auf die der Alleinspieler die ♦3 zugibt.
Mutig klein bleiben im Gegenspiel zahlt sich aus
Jetzt ist der entscheidende Moment in diesem Gegenspiel gekommen: Es ist Paar-Turnier Wertung und jeder Stich kann entscheidend für einen guten Score sein. Die ♦8 ist sicher die höchste Karo-Karte von Ost, d.h. der Alleinspieler hat noch mindestens den ♦B und sehr wahrscheinlich mindestens noch ein kleines Karo. In einem Team-Turnier würde man mit hoher Wahrscheinlichkeit auf West klein bleiben und hoffen, dass der Partner noch ein kleines Karo hat. Man kann den Kontrakt sonst nicht schlagen, da der Alleinspieler schon 4 Stiche hat und noch 5 hohe Stiche am Tisch liegen (3 Treffstiche und ♥AK). Außerdem hat er sicher mindestens den ♠K, da sonst Partner meinen Pik-Switch nicht mit dem ♠A genommen hätte. Aber wenn ♦5 und ♦4 beim Alleinspieler stehen, hat Ost kein Karo mehr und der Alleinspieler würde mit Überstich erfüllen, da die Pik-Figur von Süd der 10. Stich wäre.
Im Team-Turnier wäre das nicht entscheidend aber im Paarturnier können Welten zwischen 9 und 10 Stichen liegen. Nach langer Überlegung hat West mit der ♦9 übernommen und das ♦A geschlagen, worauf der Alleinspieler genau erfüllt. Wäre West mit der ♦7 klein geblieben, hätte Ost mit der ♦5 den ♦B ausgehebelt für zwei Faller.
Von den 22 Gegenspiel-Paaren haben nur zwei Paare diese zwei Faller im optimalen Gegenspiel realisiert. Bei einigen Paaren wurde die ♠2 falsch interpretiert und nach ♠A statt Karo Pik zurückgespielt. So haben unsere Gegenspieler trotz des Super-Angriffs nur knapp 30% erzielt, statt möglicher 80%. Nur 80%, da nur die Hälfte des Saals in 3SA waren.
Das optimale Gegenspiel wird leichter gefunden, wenn nicht gegengereizt wurde. Das zeigt sich auch daran, dass alle drei West-Spieler, bei denen nicht mit Pik interveniert wurde, den klein-Karo Angriff gefunden haben, während von den 19 Spielern mit Pik-Intervention nur drei Karo angegriffen haben. Aber eines der beiden Paare, die das ideale Gegenspiel gefunden haben, haben das erreicht trotz Pik-Zwischenreizung von Ost – wie an unserem Tisch. West hat trotzdem Karo angegriffen und Ost hat nach dem späteren Pik-Switch ♦8 zurückgespielt, auf die West klein blieb.
Überlegungen von West
Was sind die Überlegungen von West, dass man es riskieren sollte – auch im Paarturnier – die ♦8 nicht zu übernehmen und auf ein weiteres Karo von Ost zu hoffen:
West weiß zu diesem Zeitpunkt, dass sein Partner kein Treff hatte. Er hat bis jetzt kein Karo abgeworfen. Wenn er keines mehr hätte, hätte er ursprünglich 11 Oberfarbenkarten gehabt, mit denen er vielleicht nachdrücklicher gereizt hätte.
Bei den Gegenspielen, bei denen Pik angegriffen wurde, ist es wichtig, dass man als Ost die Lage richtig einschätzt und nach ♠A auf Karo switcht – am besten ♦D oder die ♦8. Das reicht noch für einen Faller, wenn man optimal weiterspielt. Das haben immerhin vier Paare geschafft.
Zum Kontrakt 3 SA
Es ist erstaunlich, dass nur die Hälfte der Paare in diesem guten SA-Kontrakt war, da der Kontrakt bei 2-2 oder 3-1 Stand der Treffs (in 90,4% der Fälle!) problemlos gewonnen wird. 5 Treff oder 4 Coeur haben dagegen keine Chance.
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