B155 – Die geringere Wahrscheinlichkeit führt zum Erfolg

Board 5 in der 4. Runde der Team-Liga des Südbayrischen Bridgeverbands am 4.2.23. Wenn man zum Erfüllen eines Großschlemms entscheiden muss, in welcher Reihenfolge man schlägt oder schneidet kommt es auf Wahrscheinlichkeiten an. Es ist Pech, wenn die geringere Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führt.

Die Reizung

Ich eröffne auf Ost 1SA (15-17) und die Partnerin übernimmt mit

Verteilung West

das Kommando und ermittelt nach einigen Abfragen (nicht entsprechend Bietsystem Forum D), dass ich folgendes Blatt habe:

  • keine 4-er Oberfarbe
  • 7-9 Unterfarbkarten
  • 2 Asse (von 4)
  • 2 Könige
  • 1 Dame

Die Bedeutung der verschiedenen Gebote können Sie im unten im Blogbeitrag bei der kompletten Hand nachlesen.

Mit insgesamt 34-35 Figurenpunkten hebt mich die Partnerin auf 7SA. Ob das Gebot überzogen oder noch akzeptabel ist, beleuchte ich am Ende noch mal. Die Meinung des Regionalliga-Saals ist geteilt: die Hälfte war im Groß-Schlemm, die andere Hälfte in 6SA. In allen Landesligen war dagegen niemand im Groß-Schlemm!

Mit der folgenden Hand

Verteilung Ost

muss ich versuchen 13 Stiche zu erzielen. Angriff gegen alle SA-Spieler ist B.

Der Spielplan

Verteilung West
Verteilung Ost

Ich habe sechs Oberfarben-Stiche und brauche folglich noch sieben Stiche aus den Unterfarben, in denen mir jeweils die Dame fehlt. Ich kann nun in beiden Unterfarben schneiden – tatsächlich stehen beide Damen nicht im Schnitt – und die normalerweise korrekte Spielweise in diesen Fällen ist allgemein: Zunächst Ass und König in der längeren Farbe schlagen und wenn dabei die Dame nicht fällt, in der kürzeren Farbe schneiden. Man hat acht Treffs und sieben Karos und der Unterschied erscheint nicht so groß, aber die Single oder Double D hat eine Wahrscheinlichkeit von 32,8%, gegenüber 18,5% für die Single oder Double D. Das würde bedeuten: man schlägt A und K und schneidet bei Bedarf danach in Karo. Das würde belohnt werden, da die Double D fällt und man somit leichte 13 Stiche hat.

Aber irgendwas stört noch an der Rechnung und deshalb habe ich es auch nicht so gespielt und offensichtlich alle anderen auch nicht, denn kein einziger (!) der SA-Spieler hat mehr als 12 Stiche gemacht. Das Problem, das gestört hat, sind die Karos, wenn die D nicht fällt. Die beiden möglichen Schnitte in den Unterfarben sind aber nur dann für fünf Stiche erfolgreich, wenn die zu suchenden Damen zu dritt davorstehen. Und da ist die Wahrscheinlichkeit in Treff viel höher als in Karo, da nur fünf Treffs fehlen, aber sechs Karos. Das heißt, man muss die Wahrscheinlichkeiten für den Treff- und Karo-Schnitt in Verhältnis zu den 18,5% und 32,8% der höchstens Double-Damen (siehe SuitPlay) setzen.

Es ist wahnsinnig schwer, die korrekten Wahrscheinlichkeiten unter Zeit- und Großschlemm-Druck in vernünftiger Zeit am Tisch genau zu berechnen und man ist somit größtenteils auf sein Gefühl angewiesen und das sagte mir, dass die Karo-schlagen-und-Treff-schneiden Kombination die höhere Wahrscheinlichkeit haben muss als umgekehrt.

Die Erfolgschancen

In Ruhe und mit Hilfsmitteln kann man errechnen, dass der Treff Schnitt eine Erfolgschance für fünf Treffstiche von 39% hat, wie man im folgenden SuitPlay-Ergebnis sieht:

Die geringere Wahrscheinlichkeit führt zum Erfolg

während der Karo-Schnitt für 5 Karostiche nur in 19,38% erfolgreich ist:

Die geringere Wahrscheinlichkeit führt zum Erfolg

Die geringere Wahrscheinlichkeit führt zum Erfolg

Wenn man nun die Erfolgschancen für die Double-Damen ins Verhältnis zu den Erfolgschancen für den Schnitt setzt, kommt man zu folgendem Ergebnis:

  • In Treff schlagen und in ggfs. in Karo schneiden: 45,82%. Das ergibt sich aus den 32,8% für die maximal Double D und der Wahrscheinlichkeit, dass der Schnitt in Karo funktioniert, wenn die D nicht zu zweit ist (67,2% * 19,38% = 13,02%).
  • In Karo schlagen und ggfs. in Treff schneiden: 50,29%. Das ergibt sich aus den 18,5% für die maximal Double D und der Wahrscheinlichkeit, dass der Schnitt in Treff funktioniert, wenn die D nicht zu zweit ist (81,5% * 39% = 31,79%).

Die geringere Wahrscheinlichkeit führt zum Erfolg. Also habe ich und alle anderen in der Regionalliga das richtige Gefühl gehabt – auch wenn so der Groß-Schlemm verloren ist, da der 45,82%-Weg dieses Mal erfolgreicher gewesen wäre.

Die komplette Hand sah wie folgt aus:

Sollte man in 7 SA sein?

Meine Partnerin hatte berechtigterweise gehofft, dass ich nicht die D habe, sondern eine Unterfarben-Dame. In Pik habe ich neben den bereits bekannten AK höchstens noch eine Pik-Karte, während ich in Treff neben dem bereits bekannten König mehr freie Stellen für die Dame habe. Auch die D erscheint attraktiver (und etwas wahrscheinlicher) als die D, aber der Denkfehler in beiden Unterfarben-Damen Fällen dabei ist, dass man dann in den Oberfarben nur fünf Stiche hat und somit acht Stiche aus den Unterfarben holen muss. Dazu muss man aber in beiden Unterfarben schneiden, wenn auch mit erheblich besseren Chancen in der Farbe, bei der auch die Dame an Bord ist.

Wenn statt der D die D an Bord wäre, wäre die Erfolgswahrscheinlichkeit mit 50,21% in etwa genauso hoch. Interessanterweise ist die Konstellation mit der D die mit der geringsten Wahrscheinlichkeit, nämlich 46,04%.

Die gewichtete Erfolgswahrscheinlichkeit für 7SA liegt demnach bei einer 3325-Verteilung knapp unter 50% und da muss man im Teamkampf nicht drin sein. 35 Figuren-Punkte verleiten zwar zu 7SA, aber zwei fehlende Damen und keine einfachen Längenstiche, sowie die Punkteverdopplung in Coeur, wo alle vier Bilder nur drei Stiche bringen, sollten zur Vorsicht mahnen. Allerdings ist auch der 3-3 Stand in den Oberfarben der worst-case. Schon eine Double-Oberfarbe würde eine weitere Unterfarben-Karte bedeuten, die die Schnitt-Chancen dort und somit die Erfolgschancen insgesamt erheblich erhöhen würde.

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