B183 – Ein forderndes Allein- und Gegenspiel

Board 1 in Runde 8 beim Teamkampf München-Planegg gegen Groß-Gerau in der Aufstiegsrunde zur 3. Bundesliga in Niedernhausen am 8.10.23. In einem ambitionierten Kontrakt entwickelt sich ein forderndes Allein- und Gegenspiel.

Die Reizung

Die Reizung - Ein forderndes Allein- und Gegenspiel

Der 2-Überruf von Ost wird alertiert als Pik und eine Unterfarbe mindestens 5-5. 3♣ von West fragt nach der Unterfarbe (pass or correct). Kontra von Nord zeigt allgemeine Stärke und eher kein 6-er Coeur. 3 von Ost zeigt Pik und Karo und nach Partnerins 3-Gebot gehe ich im Team in 4 mit folgender starker Hand:

Verteilung Nord - der Alleinspieler

Der Angriff

Es kommt die 5 heraus, die nach der Reizung verdächtig nach Single ausschaut.

Verteilung Süd - Dummy

Der Dummy ist zunächst etwas ernüchternd: kein 4-er Coeur – wie insgeheim erhofft – und die drei Punkte alle in der Gegnerfarbe. Dafür wenigstens D bis zur 9 geschlossen und das Double Karo kann auch wertvoll werden.

Ein forderndes Allein- und Gegenspiel

Verteilung Nord - Alleinspieler
Verteilung Süd - Dummy

Wenn der 5 Angriff wirklich Single ist, hat West DB1096, so dass ich in Treff kaum mehr als zwei Stiche erzielen kann. Um die überhaupt erzielen zu können, darf West nicht an den Stich kommen, um seinem Partner einen Schnapper zu geben. Da es keinen direkten Übergang zum Tisch gibt, spiele ich – nachdem ich die 9 mit dem K übernommen habe – das A. Interessanterweise kommt bei Ost der B und nach 4 vom Dummy bei West die 7(!). Diese 7 ist hochinteressant, da die 2 noch nicht sichtbar ist. Da der Gegner bei den Längenmarken niedrig für gerade Längen zugibt, hätte West ein 3-er Coeur und Ost hätte noch eine Coeur-Karte, die nach Lage der Dinge nur der K sein kann, da er von B2 sicher nicht den wertvollen Buben unter das Ass geworfen hätte.

Damit war mein Abspiel von A gar nicht so schlecht, da ich einen Coeur-Stich immer verliere und die 10 beim Dummy ist jetzt ein potenzieller Übergang zum Tisch.

Da der K sowieso stechen wird, macht es wenig Sinn weiter Trumpf aus der Hand zu spielen und nehme mein Pik Single. Von Ost kommt die 4 und die 9 des Dummys wird von West mit dem K übernommen. Zurück kommt – wie erwartet – die 10, die ich wohl oder übel mit dem A decken muss, da ducken nicht weiterhilft. Ost sticht mit dem K und am Tisch nehme ich die 4.

Die Überlegungen von Ost

Ost überlegt sehr lange und entscheidet sich gegen die A Fortsetzung, die alles auf die Hoffnung setzten würde, dass ich das letzte Pik habe und Partner Single Pik. Beim aktuellen Stand würde das den Kontrakt erfüllen lassen, da ich stechen könnte und nach D gefolgt von klein Coeur zur 10 die Trümpfe ziehen könnte und mit drei Abwürfen auf die hohen Piks gewinnen würde.

Die gewählte 3 Fortsetzung von Ost ist stark und hält die Chance auf vier Stiche für Ost-West intakt. Die 10 am Tisch gewinnt den Stich und nach der 5 von West habe ich einen Abwurf frei. Wenn der K bei Ost steht, wovon ich ausgehe, hilft mir ein Karo-Abwurf nicht weiter und um im nächsten Stich den Druck auf West zu erhöhen, werfe ich die 2 ab.

Der entscheidende Stich

Noch bin ich lange nicht am Ziel: Die Piks am Tisch sind noch nicht hoch, da Ost noch das A hat. In beiden Händen habe ich noch eine kleine Treff-Karte und in Karo befürchte ich, dass mindestens der K bei Ost steht. Dabei darf ich nur noch einen Stich abgeben, um den Kontrakt zu erfüllen.

Da ich schon beim Abwurf im letzten Stich nicht auf den K bei West gesetzt habe, bleibe ich dieser Strategie treu und lege die D zum nächsten Stich vor mit der impliziten Drohung, darauf mein letztes Treff abzuwerfen und somit auch die restlichen Piks des Tischs hochzumachen. Den Tisch kann ich mit der 10 immer erreichen, evtl. auch mit dem vorherigen Abziehen der D, um West beide Trümpfe zu ziehen.

Jetzt ist der entscheidende Moment des Kontrakts erreicht und deshalb wechsle ich hier den Fokus auf die Sicht von West, bevor ich die weitere Entwicklung des Abspiels zeige. Natürlich kann ich nur Mutmaßungen anstellen über die Gedanken von West.

Die Sicht von West beim sechsten Stich

Verteilung West nach 5 Stichen

West hat die Probleme von Ost sehr wohl registriert und ihn innerlich beglückwünscht, dass er zum fünften Stich 6 zurückgespielt hat, statt mit dem A den Kontrakt erfüllen zu lassen. Wenn er trotzdem lieber klein Pik als Karo zurückspielt, hat er in Karo keine Haltung, von der er angreifen will, insbesondere nicht KD zu fünft, da er hiervon relativ gefahrlos den K hätte spielen können. Auch A bei Ost ist sehr unwahrscheinlich nach dem bisherigen Verlauf. Das heißt aber auch, dass Ost höchstwahrscheinlich ein weiteres großes Problem haben wird, wenn ich mein letztes kleines Treff auf die D abwerfe, um das A herauszutreiben.

Diesen Spielzug kann nur West verhindern, wenn er klein vorschnappt, da er dann selbst Karo durchspielen kann und Ost davon befreit eingespielt zu werden, wenn ich trotzdem mein Treff entferne. Außerdem lebt dann noch das wertvolle A von Ost und die Pik-Drohung vom Tisch ist somit unwirksam. Kann das Vorstechen sich für West negativ auswirken, wenn ich übersteche? Wie soll es dann weitergehen, da Partner ja noch das A hat und offensichtlich mindestens eine Topfigur in Karo.

Mittlerweile drohen auch schon Strafpunkte wegen Zeitüberschreitung, da Reizung und Abspiel bisher schon viel Zeit in Anspruch genommen hat – mit dem größeren Zeitverbrauch von Ost-West. Nach ca. drei Minuten entscheidet sich West zum Vorschnappen mit der 2. Nun wieder der Wechsel aus Sicht des Alleinspielers.

Der weitere Ablauf

Verteilung N/S nach 5 Stichen

Ich sehe schnell, dass der Treff Abwurf jetzt keine Option mehr ist, da ich nach Karo-Rückspiel mit meiner Karo-Haltung keine Chance mehr habe. Andererseits kann ich immer noch einen Stich abgeben und solange West nicht zu Stich kommt, stört mein kleines Treff auch nicht. Plötzlich sehe nun ich die einzige Gewinnchance: ich übersteche die 2 von West mit der 3 und spiele klein Trumpf zur 10 am Tisch und entferne damit den letzten Trumpf von West (Ost trennt sich von der 4).

Nun spiele ich die 9, die ich laufen lassen will, wenn West kein höheres Karo hat oder es nicht legt. West kann nicht decken, da er kein höheres Karo hat und ich gebe die 2, Dadurch ist Ost jetzt mit der 10 endgültig endgespielt. Er muss jetzt entweder in die Karo-Gabel spielen oder durch Pik spielen indirekt den Tisch wiederbeleben – egal ob mit klein Pik oder dem A. Es kam A, in der Hand gestochen. Danach A und die D am Tisch gestochen und auf das hohe Pik entsorge ich das kleine Treff in der Hand und gewinne den letzten Stich mit der D und somit den hart umkämpften Kontrakt.

Was wäre im sechsten Stich richtig gewesen?

Verteilung O/W nach 5 Stichen

Das Vorschnappen mit der 2 von West im sechsten Stich war ein Stich zu früh! Wenn er sich beispielsweise von einem kleinen Treff trennt, kann ich zwar mein letztes Treff abwerfen, aber Ost gewinnt mit dem Pik Ass.  Ost ist jetzt nicht vollständig endgespielt, er muss jetzt nur zwingend wieder Pik spielen. Wenn ich im Dummy übernehme, muss von West erst jetzt vorgeschnappt werden und der Kontrakt kann nicht mehr erfüllt werden, da mir jetzt auf Nord ein Verlierer bleibt, und ich somit auf den Karo-Impass angewiesen wäre, der nicht sitzt.

Die Board Statistik

Von den vierzehn Team-Tischen waren immerhin sieben Teams in 4 von Nord.

Die anderen sechs Ergebnisse in 4 von Nord waren: viermal 4-2 und zweimal 4-1.

Weiter blieben: drei NS-Paare in 3 (2 x erfüllt, einmal +1) und ein NS-Paar in 2+3 Dreimal ersteigerte OW den Kontrakt: einmal 3♠x-3, einmal 2♠x-2 und einmal 3= (alle Kontrakte von Ost gespielt).

Weitere Beiträge von Gerhard Gries zu komplexen Allein- oder Gegenspielen: B16, B23, B37, B46, B73, B155, B143

Kommentare zu diesem Beitrag bitte mit dem Kontakt-Formular oder direkt an info@turnierbridge.de.